Wann ist der Widerruf einer Berichterstattung „erforderlich“?

Von der Presse oder dem Rundfunk zu verlangen, sich von einer bereits veröffentlichten Meldung öffentlich inhaltlich zu distanzieren („Diese Behauptung erhalten wir nicht aufrecht“ oder „Von dieser Darstellung distanzieren wir uns“) oder sie öffentlich zu korrigieren („Ergänzend müssen wir darauf hinweisen, dass …“) stellt den betroffenen Journalisten und die betroffene Redaktion oft vor die große Herauforderung, eigene Fehler eingestehen und diesen Vorgang auch noch publik machen zu müssen.

Vor diesem Hintergrund, aber vor allem auch in Anbetracht der Wichtigkeit der Pressefreiheit und der der Presse zufallenden Aufgabe, „umfassende Informationen zu ermöglichen, die Vielfalt der bestehenden Meinungen wiederzugeben und selbst Meinungen zu bilden und zu vertreten“ (so BVerfGE 20, 162), legen die staatlichen Gerichte die Latte für einen Widerrufsanspruch hoch.

Die Gerichte prüfen bei einem Widerrufsanspruch entsprechend regelmäßig nicht nur, ob die Aussage, die widerrufen werden soll, nachweislich unwahr ist und die dadurch ausgelöste Störung rechtswidrig ist, sondern die Justiz billigt erst dann einen Widerrufsanspruch zu, wenn der öffentliche Widerruf tatsächlich erforderlich ist, um den Eingriff in die Rechte des Betroffenen zu beseitigen.

Bejaht wurde die Erforderlichkeit eines zu veröffentlichen Widerrufs von der Rechtsprechung zum Beispiel, um einen „Zustand fortdauernder Rufbeeinträchtigung ein Ende zu machen und so die rechtswidrige Störung abzustellen“ (BGHZ 128, 1). In diesem Fall war es um die an den Haaren herbeigezogene Behauptung eines Journals gegangen, mit einer Prominenten ein „Exklusiv-Interview“ geführt zu haben.

Auch die plakative Veröffentlichung folgender eher zweideutigen Frage in der größten deutschen Boulevardzeitung führte zu einem Widerrufsanspruch der Klägerin:

Auch hier sahen die Gerichte die Erforderlichkeit einer Richtigstellung für geboten, da sich die Berichterstattung „auf den Bereich der Intimsphäre“ beziehe und „das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin nachhaltig“ beeinträchtigt habe (BGH, Urteil vom 09.12.2003, VI ZR 38/03).

In anderen Fällen wurde sie Erforderlichkeit eines Widerrufs nach Abwägung aller Umstände jedoch verneint:

Ein Widerruf sei insbesondere nicht geeignet, das Interesse eines Betroffenen an einer „Genugtuung oder an einer Wiederherstellung des gekränkten Ehrgefühls“ zu befriedigen (so BGHZ 10, 104).

Auch im Falle einer in Presse oder Rundfunk bereits veröffentlichten Richtigstellung kann ein Anspruch auf Widerruf oder Berichtigung entfallen.

Ein Widerrufsanspruch scheitert ebenfalls dann, wenn der Widerruf auf eine „Demütigung“ des Verfassers der Erstmitteilung hinauslaufen würde und man mit dem Widerruf lediglich eine vom Verkehr bereits „längst vergessene“ Behauptung richtig stellen will (so BGH, Urteil vom 22.12.1961, I ZR 110/60).

Schließlich kann auch eine vorangegangene Provokation des Betroffenen einem Widerrufsanspruch entgegenstehen (BGH, Urteil vom 12.03.1992, I ZR 58/90).